Die russische Invasion in der Ukraine erinnert an die Tragödien, die sich auf dem alten Kontinent während des Ersten und Zweiten Weltkrieges abgespielt haben. Des weiteren erinnert es an den spontanen Vergleich mit der deutschen Invasion in Polen und die darauffolgenden gegen alle europäischen Länder gerichteten Nazi-Feldzüge, die den Kontinent, ja die ganze Welt, in einen Teufelskreis des Todes stürzten. Terror, Hungersnot, Vertreibung und Völkermord von Millionen Zivilisten…
Es ist nicht die Schuld derer, die den Vergleich zwischen den beiden Ereignissen, der Invasion Polens im Jahr 1939 und der Invasion der Ukraine im Jahr 2022 machen. Geostrategische Interessen und die grosse Anzahl von Krisen in der Welt sind wahrscheinlich der Ursprung für einen globalen Wirtschaftskrieg, der sich militärisch entwickeln kann.
Dasselbe Szenario wiederholt sich: Wie beim Zweiten Weltkrieges gingen der russischen Invasion in der Ukraine Vorzeichen und Signale voraus, die fälschlicherweise als Schwäche der Vereinigten Staaten von Amerika missverstanden wurden. Sie würde somit akzeptieren, dass Russland der Welt eine Realität aufzwingt, die ausserhalb der internationalen Gesetze liegt…
Eine Abfolge von Ereignissen, die seinerzeit kurzlebig und manchmal zusammenhanglos schienen, die aber den Auftakt zu geopolitischen und wirtschaftlichen Fehlinterpretationen auf russischer Seite bildeten, haben schlussendlich zu Ängsten geführt. Dies sind insbesondere das Aufwühlen des Nuklearspektrums und das Androhen eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen.
11.2020 Wahlen in den Vereinigten Staaten
07.2021 Der amerikanisch-russische Gipfel in Genf
08.2021 Rückzug der USA aus Afghanistan
11.2021 Abkommen über australische U-Boote
2021-2022 Bundestagswahlen, Französische EU-Präsidentschaft
02.2022 Chinesisch-Russischer Gipfel
Der Zustand der Spaltung, der aus den US-Präsidentschaftswahlen während einer globalen Pandemie resultierte, wurde als interne Schwäche der neuen Regierung im Weißen Haus und damit de facto der US-Entscheidung auf internationaler Ebene missverstanden. Gefolgt wurde dies von dem amerikanischen Wunsch, die Spannung mit Russland während des amerikanisch-russischen Gipfels in Genf (Schweiz) abzubauen – ein Sieg für Russland und eine Rückkehr zur bipolaren Hegemonie über die Welt.
Der Triumph und die Euphorie führten die Russen zu schwerwiegenden Fehleinschätzungen. Denn sie sind fest davon überzeugt, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika ganz auf China konzentrieren würden, um das Land mittel- und langfristig als wirtschaftlichen Konkurrenten auf den Weltmärkten zu haben, da die meisten Länder der Welt mit der chinesischen Wirtschaft verbunden sind.
Chinesische Bedenken und ein mangelndes Verständnis für den Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Afghanistan haben die russischen Prognosen fälschlicherweise bestätigt. Gefolgt wurde dies durch das dreiseitige Abkommen über die Unterstützung und Versorgung mit den neuesten US-Technologien für atomgetriebene U-Boote zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Australien.
China sieht in dieser Entscheidung einen klaren Hinweis auf die Umsetzung eines Plans, um seiner Expansion entgegenzuwirken, das Land möglicherweise zu belagern und auf seinen regionalen Raum zu reduzieren. Die chinesische Reaktion blieb nicht bei einer entschlossenen Antwort, die durch die Achse Peking-Moskau verstärkt werden soll. Denn 2014 erreichte die chinesische Wirtschaft ihren Höhepunkt, als sie einen 30-jährigen Öl- und Erdgasliefervertrag im Wert von 400 Milliarden US-Dollar unterzeichnete, der zufälligerweise (oder geplant) nach der Invasion der Krim und deren Anschluss an die Russische Föderation erfolgte.
Das gleiche Szenario wiederholte sich im Februar 2021 vor dem Einmarsch in die Ukraine und diesmal mit einem Vertrag im Wert von 118 Milliarden US-Dollar. Das passierte während des chinesisch-russischen Gipfels am Rande der Eröffnung der Olympischen Spiele im Winter in Peking, die zur finalen Vereinbarung führte, von welcher der folgende Satz zu merken ist: „Es gibt keinen verbotenen Boden für unsere Zusammenarbeit …“.
All diese Ereignisse sind nicht isoliert zu betrachten. Die Beschleunigung der sozioökonomischen Transformationen und politischen Übergänge in mehreren europäischen Ländern, insbesondere der Berlin-Paris-Achse, die große Veränderungen erfahren hat, wird die EU wahrscheinlich in eine neue Ära führen. In Bezug auf die europäische Wirtschaftsmacht haben die Parlamentswahlen 2021 endgültig das Blatt gewendet. Die CDU-SPD-Koalition und ihre Symbolfigur Bundeskanzlerin Angela Merkel haben die Deutschen mit einem Dreierbündnis überrascht. Dieser ist der erste seiner Art in der Geschichte des modernen Deutschlands, das die Mitte-Links-Parteien die Grünen und die Liberalen in einer komplexen Kombination zusammenbrachte. Es brauchte viele Wochen, um zu einem an einem seidenen Faden hängenden Regierungskompromiss zu kommen.
Die Gefahr läuft darauf hinaus, in der ersten großen Krise zu implodieren, die den Weg der Energiewende nach dem endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie beeinträchtigt, der Deutschland vollständig von russischem Gas abhängig machte. Daraus resultieren politische Unruhen in Deutschland, die mit den französischen Präsidentschaftswahlen zusammentreffen, die Anfang April 2022 stattfinden. Der neue Präsident Frankreichs wird der rotierende Präsident der EU für eine Zeit von sechs Monaten ab Anfang Januar desselben Jahres.
Frankreich und sein gemeinsames europäisches Verteidigungsprojekt. Es ist ein Traum, den das Land stets verteidigt hat und welcher lange nicht verwirklicht wurde. Grund für die Verzögerung waren europäische Länder, die diesem Projekt nicht zugestimmt haben. Sowohl Brexit als auch die Verstärkung durch die NATO fanden zur selben Zeit des Projekts für einen gemeinsamen europäischen Verteidigungspakt statt.
Eine mögliche Erhöhung der Zahl der Mitgliedsländer der EU, insbesondere materielle Mittel und ihre gemeinsame Verteidigung, würden es den Vereinigten Staaten ermöglichen, wirksamere Maßnahmen zu ergreifen, um China entgegenzuhalten und die Befürchtungen der Länder Südostasiens vor einem wachsenden Einfluss zu zerstreuen. Chinas Vorherrschaftspläne, insbesondere eine mögliche Annexion Taiwans…
Eine mögliche Erhöhung der Zahl der Mitgliedsländer der EU, insbesondere materielle Mittel und ihre gemeinsame Verteidigung, würde es den Vereinigten Staaten ermöglichen, wirksamere Maßnahmen zu ergreifen. Damit könnten sie China besiegen und die Ängste der Länder Südostasiens vor dem wachsenden Einfluss sowie die Vorherrschaftspläne zerstreuen, insbesondere eine mögliche Vereinigung mit Taiwan…
Russland hat eine Kaskade von Fehleinschätzungen begangen und eine falsche Einschätzung hinsichtlich der politischen, wirtschaftlichen und medialen Netzwerke der Vereinigten Staaten von Amerika gemacht. Doch insbesondere die Fehleinschätzung hinsichtlich der Geheimdienste, ihren Einfluss und die Einsicht der politischen Führung im Weißen Haus haben den Unterschied gemacht…
Die Beschleunigung der Ereignisse, welche die Welt heute erlebt, ist der Auftakt zu radikalen Veränderungen, die eine Veränderung der Mechanismen eines gemeinsamen internationalen Handelns ankünden. Die Vereinten Nationen haben diese auf den Ruinen des Völkerbundes errichtet. Vielleicht werden wir nun die Geburt eines solchen erleben oder mehr Mechanismen für ein internationales Handeln…
Sarhane Saadi
Gründer und Geschäftsführer
SATAS International für strategische Studien
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